Richtig führen (oder geführt werden) ist in Zeiten von New Work ja gar nicht mehr so einfach: das Team sitzt meist im Home Office und die Vertreter der Generation Y und Z haben ein grundlegend anderes Verständnis von „Führung“. Ich zeige Dir, wie im Rahmen von New Leadership ein harmonischer Ausgleich der Interessen gelingt
Früher war alles besser! Dieser Spruch ist schon seit Ciceros Zeiten aktuell: die Vergangenheit wird idealisiert und verklärt: „Hach, wie toll war es doch jeden Tag im Büro! Und jeder wusste immer über alles Bescheid, weil wir immer im Team zusammen waren.“ Der nervige Verkehrsstau, die nicht fahrenden Bahnen, der Kollege, der immer laut telefoniert, der super schlechte Kaffee – alles vergessen und aufgelöst im Schwelgen in den vermeintlich so tollen Zeiten im Büro … Doch BESSER war es früher nicht. Aber EINFACHER war es, das stimmt schon.
Was wir durch Home Office verloren haben
Durch Remote Work ist vieles natürlich komplizierter geworden. „Wo bist Du heute – wann arbeitest Du eigentlich.“ „Was ist denn mit Swantje los, die ist so still. – Sie hat Urlaub! – Ach ok, hab ich gar nicht mitbekommen.“ Typische Nachrichten in Slack oder MS Teams dieser Tage. Früher war das einfacher: es gab das Büro und vielleicht mal Home Office an festen Tagen, oft am Freitag. Alle waren zusammen, idealerweise auf einer Fläche oder auf einem Stockwerk. Mal eben schnell zur Kollegin gehen, was abstimmen. Die Chefin ruft mal alle zusammen und gibt weiter was sie von ihrem Chef erfahren hat. Oder das ganze Team geht zusammen Mittag essen, mal wieder schwätzen, den neuen Kollegen besser kennenlernen etc.
Auch das Management hatte es einfacher: Townhall Meetings, ruhig auch mal spontan angesetzt, für alle anwesenden Mitarbeitenden zur Präsentation der neuesten Umsatzzahlen, Strategieentscheidungen, Veränderungen im Management oder der Organisation. Direktes Feedback möglich und Fragen stellen. Aber vor allem gab es das, was heute so an persönlichen Empfindungen fehlt: die Stimmung im Raum, der Ausdruck der Gesichter, überhaupt: wie viele sind gekommen?
Oder einfach mal Management by walking around: als Bereichsleiter auch mal zu den Teams gehen, Fragen stellen zu Projekten, Testballons zu eigenen Ideen steigen lassen und schauen wie die Experten reagieren oder Ideen sammeln für das nächste Offsite – spontan, schnell, niedrigschwellig.
Aus meiner Sicht ist es DAS, was wir wirklich verloren haben: persönliche Kommunikation durch und mit Führungskräften und direktes (auch non-verbales) Feedback von Seiten der Mitarbeitenden. Wer schon mal gegen eine schwarze Wand von ausgeschalteten Kamerabildern oder Avatare präsentieren musste, der weiß, was ich meine.
Wie Führung früher funktionierte
Wir wissen nun welche soften Faktoren Leadership früher hatte, aber wie war Führung denn organisiert. Hier kommt „Führen über Ziele“ oder Management by Objectives (MbO) ins Spiel: kurz gesagt werden hierbei die Ziele des Unternehmens vom Management vorgegeben und top down hierarchisch herunter gebrochen: Also gibt es zum Beispiel ein Unternehmensziel zum Thema Bekanntheit der Marke, werden Ziele für den Bereichsleiter Marketing abgeleitet. Davon werden wiederum Ziele für den Leiter Marke abgeleitet und schließlich für die Mitarbeiterin im Branding Team Anja Müller.
Die Ziele werden jährlich gesetzt und mit einem recht großen Aufwand in Zielvereinbarungsgesprächen nach unten kaskadiert und bilden dann die persönliche Zielvereinbarung desjenigen Mitarbeitenden. Diese Ziele sollen SMART („spezifisch“, „messbar“, aktiv beeinflussbar, „relevant“ „terminiert“) sein. Nach dem Ende der vereinbarten Laufzeit für die Zielerreichung (meist ein Jahr) kommen Mitarbeiter:in und Führungskraft erneut zusammen, besprechen den Grad der Zielerreichung und meist auch gleich die Ziele für die kommende Periode.
Es ist natürlich grundsätzlich schön, dass die Mitarbeitenden aktiv im Zielbildungsprozess eingebunden werden und diese Ziele sich an den übergeordneten Zielen des Unternehmens orientieren. Doch nachdem diese Methoden in den 1980ern und 1990er Jahren besonders gut funktioniert hat, zeigen sich heute vor allem Schattenseiten:
- Fokus auf eine persönliche Zielvereinbarung führt zu extrinsischer Motivation, bei der Mitarbeitende nur das Wünschenswerte tun, wenn sie Extra-Geld dafür bekommen
- reines Top Down-Durchdrücken von Zielen ist einfach nicht mehr zeitgemäß und beantwortet selten die Fragen nach dem „Warum“
- Kontrolle der Mitarbeitenden steht im Vordergrund
- Ziele nur jährlich aufzustellen ist in den heutigen Zeiten (Vuca) zu selten
- komplexes, bürokratisches System von MbO ist zu unflexibel und verbunden mit einem hohem Zeit- und Verwaltungsaufwand für die Führungskräfte und Mitarbeitenden
Was wir durch New Leadership gewinnen können
Wenn eine Führungskraft früher gesagt hat: Mach das! War die Antwort „Bis wann?“ Heute ist die Antwort „Warum?“
New Leadership ist eben nicht erst seit Home Office in Zusammenhang mit agilen Arbeitsweisen, wie dem Spotify Modell oder OKR ein Thema. Nicht nur der Fachkräftemangel auch das fundamental andere Verständnis von „Führung“ der Generationen Y und Z führt dazu, dass sich Führungskräfte ganz neu aufstellen müssen.
New Leadership ist eine moderne Art der Führung: statt Aufgaben an Mitarbeitende zu delegieren und später zu kontrollieren, arbeiten diese eigenverantwortlich an ihren Themen. Gemeinsam besprechen Führungskräfte und Mitarbeitende das Was der jeweiligen Ziele – das Wie ist Sache der Teams. Dazu benötigen Führungskräfte in Unternehmen ein hohes Maß an Mut und Vertrauen zu ihren Mitarbeitenden. Sie sind nicht länger Befehlsgeber, sondern eher ein Coach und übersetzen Strategie und Purpose des Unternehmens für ihren Bereich:
- verteiltes Wissen und Kompetenzen in den Teams statt Trennung zwischen Denken (oben) und Ausführen (unten)
- schnelle dezentrale Entscheidungen statt langwierige (Budget-) Entscheidungsprozesse
- ganzheitliches Menschenbild und gezielte persönliche Weiterentwicklung statt der Idee von Mitarbeitenden als Auftragsempfänger:innen
- Führungskraft und Mitarbeitende begegnen sich auf Augenhöhe statt als Bittsteller und Einpeitscher
Fazit zu New Leadership. Was bedeutet heute noch „Führen“?
Führung muss heute zumeist in dezentralen Strukturen stattfinden, in denen Mitarbeitende deutlich mehr Eigeninitiative und Verantwortung tragen wollen. Führungskräfte konzentrieren sich dann darauf, die Teams und Projekte richtig auszustatten, Rahmen und Richtung zu setzen und den Teams Blocker aus dem Weg zu räumen, indem sie ihr Netzwerk öffnen und ihre Autorität im Unternehmen nutzen. Eine gute Führungskraft für diese neue Welt ist also kein Einpeitscher mehr sondern jemand, der motivieren, erklären und einbinden kann.
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